Projekt für die Erhaltung der Handweberei

Projekt für die Erhaltung der Handweberei

Das Projekt „Pro Tessitura in Valposchiavo“ entstand aus der dringenden Notwendigkeit, die Tradition der handwerklichen Weberei in einem Tal zu bewahren, in dem die Ausübung dieser alten Kunst - ein immaterielles Kulturerbe, das vom Aussterben bedroht ist - im Laufe der Jahre zurückgegangen ist. Das Valposchiavo ist ein Tal, das aufgrund seiner geopolitischen Lage seit jeher ein Kreuzungspunkt der Kulturen zwischen der Schweiz und Italien und ein Bezugspunkt für landwirtschaftliche und handwerkliche Traditionen ist. Trotz des Interesses der lokalen Gemeinschaft, die Traditionen am Leben zu erhalten, ist das Webereihandwerk in den letzten Jahrzehnten durch die Globalisierung und die Verlagerung der Produktion in große Schwierigkeiten geraten.

 

Das Projekt zielt auch darauf ab, eine lokale Textillieferkette wieder aufzubauen, die natürliche Rohstoffe wie Wolle und Leinen aufwertet und einen nachhaltigen Produktionszyklus fördert, der die lokale Wirtschaft unterstützt und die Umweltbelastung reduziert. Die Initiative wendet sich gegen die Logik der Fast Fashion, indem sie sich auf ethischere und umweltfreundlichere Praktiken konzentriert und die Schaffung eines Produktionssystems mit kurzen Lieferketten fördert, das die lokalen natürlichen Ressourcen optimal nutzt.


Mit der Finanzierung durch das Bundesamt für Kultur (UNESCO Immaterielles Kulturerbe / Lebendige Traditionen) und das Amt für Kultur des Kantons Graubünden (Kultur- und Sprachförderung) zielt das Projekt darauf ab, neue Möglichkeiten für die Zukunft der handwerklichen Weberei zu schaffen und dabei Tradition mit Innovation zu verbinden. Die Initiative wird von einem Netzwerk lokaler Partner unterstützt, darunter landwirtschaftliche und kulturelle Institutionen und Vereine, die gemeinsam daran arbeiten, der textilen Tradition der Region neue Impulse zu geben.

 

 

 

Der regionale Kontext und das Valposchiavo

Das Valposchiavo ist ein einzigartiges Tal, das sich durch eine reiche kulturelle und historische Vielfalt auszeichnet und zwischen den Alpen, der Schweiz und dem Valtellina liegt. Dieses Gebiet hat schon immer ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation gelebt, mit einem starken Bewusstsein für seine kulturelle Identität. In den letzten Jahren hat das Tal einen Weg der nachhaltigen Entwicklung eingeschlagen, mit Initiativen wie der Valposchiavo Smart Valley Bio-Strategie und der Territorialmarke „100% Valposchiavo“, die die ökologische landwirtschaftliche Produktion und die Unterstützung von Projekten im Zusammenhang mit dem immateriellen Kulturerbe fördern.

 

Im Jahr 2023 hat der Kanton Graubünden die „Handweberei und der Bündner Kruezstich“ in die Nationale Liste der lebendigen Traditionen aufgenommen und damit die Bedeutung dieser Tradition für die Region anerkannt. Das Projekt fügt sich perfekt in diesen Kontext des kulturellen Erbes ein und trägt dazu bei, die lokale Kultur zu stärken und alpine Textilien als Motor für Innovation und Entwicklung zu fördern.

 

 

Projektpartner

Das Projekt umfasst ein Netzwerk von Partnern, die aktiv zusammenarbeiten, um den Erfolg der Initiative zu gewährleisten:

  • Associazione Agricola Poschiavo (AAP), Unione Contadini Brusio (UCB) und Unione Contadine Valposchiavo (UCV): Diese Organisationen vertreten den landwirtschaftlichen Sektor im Tal und setzen sich für die Förderung der Landwirtschaft und den Erhalt des lokalen Territoriums und der Traditionen ein.
  • Fondazione Musei Valposchiavo (MUVA): Die örtlichen Museen, die eine bedeutende Sammlung des historischen und kulturellen Erbes verwalten, arbeiten zusammen, um das textile Erbe in ihr Bildungs- und Kulturprogramm zu integrieren.
  • Pro Grigioni Italiano (PGI): Der Verein, der die italienische Sprache und Kultur in der Schweiz fördert und sich für kulturelle und soziale Aktivitäten im Valposchiavo einsetzt, unterstützt die Integration der lokalen Traditionen in die allgemeine Kultur.
  • Polo Poschiavo (PoP): Ein Kompetenzzentrum für Ausbildung und Projektentwicklung, das die Projektaktivitäten koordiniert und die Einbeziehung der lokalen Gemeinden und Experten sicherstellt.

 

 

Projektkoordination

Das Polo Poschiavo ist für die Gesamtkoordination zuständig und arbeitet dabei mit dem Vorstand des Vereins Pro Tessitura im Valposchiavo zusammen, der die Aktivitäten der historischen Textilgenossenschaft des Tals übernommen hat. 

 

 

Projektziele

Das Projekt „Pro Tessitura im Valposchiavo“ hat folgende Ziele:

  • Die Textiltradition zu bewahren und ihren Fortbestand für künftige Generationen zu garantieren.
  • Stärkung der Verbindung zwischen Tradition und Innovation durch Aktivitäten, an denen lokale Designer und Handwerker beteiligt sind.
  • Ein nachhaltiges Textil-Ökosystem zu schaffen, das die handwerkliche Weberei mit anderen lokalen Praktiken und Lieferketten (wie Landwirtschaft und Design) vernetzt.
  • Ausbildung neuer Fachkräfte in der Textilbranche durch Designer-Residenzen und Trainingskurse zur Weitergabe von traditionellem Wissen.

 

Dank der Unterstützung durch öffentliche Mittel hat das Projekt eine solide Grundlage, um ein Beispiel für nachhaltige Entwicklung auf der Grundlage des immateriellen Kulturerbes zu werden und zur Wiederbelebung der lokalen Textilindustrie und zur Stärkung der kulturellen Identität des Valposchiavo beizutragen.

 

 

Digitalisierung des historischen Archivs der Tessitura Valposchiavo

Eine der Hauptaktivitäten des Projekts ist die Digitalisierung des historischen Archivs der Tessitura Valposchiavo, das eine umfangreiche Sammlung von Stoffmustern und Datenblättern enthält, die in siebzig Jahren Tätigkeit entstanden sind. Dieses Archiv, das die Geschichte der lokalen Textiltradition erzählt, soll digitalisiert werden, um es zu bewahren und künftigen Generationen zugänglich zu machen und gleichzeitig die Entwicklung neuer Designs und Produkte zu unterstützen.

 

 

Textilresidenzen: Eine Chance für junge Designerinnen und Designer

Die Textilresidenzen sind einer der wichtigsten Aspekte des Projekts „Pro Tessitura in Valposchiavo“. Sie sollen jungen Textildesignerinnen und -designern aus dem Alpenraum die Möglichkeit geben, eng mit Tessitura Valposchiavo und den Museen Valposchiavo zusammenzuarbeiten. Ihre Aufgabe ist es, ausgehend von den historischen Archiven von Tessitura Valposchiavo und den Musei Valposchiavo neue Stoffprototypen aus alpiner oder lokaler Wolle zu entwickeln und traditionelle Modelle modern zu interpretieren.

 

Ziele der Textilresidenzen:

  • Innovation in der Tradition: Jeder ausgewählte Designer wird an der Erneuerung der Textiltradition arbeiten und neue Stoffe entwerfen, die in die Produktion von Tessitura Valposchiavo aufgenommen werden.
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die Residencies fördern die Zusammenarbeit zwischen Designern mit unterschiedlichen Fähigkeiten (Textildesign, Weberei und Produktdesign) und tragen so zur gemeinsamen Entwicklung von Produkten bei, die Tradition und Innovation miteinander verbinden.
  • Wissensvermittlung: Direkte Erfahrungen mit lokalen Handwerkern und Handwerkerinnen sowie der Zugang zu historischen Archiven vermitteln Wissen und praktische Fertigkeiten in der traditionellen Weberei.
  • Sichtbarkeit und Nachhaltigkeit: Die während der Residenz entstandenen Prototypen können Teil der ständigen Produktion von Tessitura Valposchiavo werden und werden am Ende des Programms öffentlich präsentiert, was zur Sichtbarkeit des Projekts und zur Förderung der Nachhaltigkeit im Textilsektor beiträgt.

 

 

Textilresidenz 2025 - Ausschreibung

Das Projekt „Pro Tessitura im Valposchiavo“ wird Anfang 2025 eine Ausschreibung starten, um drei junge Textildesignerinnen und -designer auszuwählen, die die Möglichkeit haben, zwischen April und Mai 2025 an einem zweimonatigen Künstleraufenthalt teilzunehmen. 

 

Ausschreibung für Designer*innen (PDF): IT / DE / FR / EN

Anmeldeformular (PDF): IT / DE / FR / EN

 

 

Textilforum: Wollketten in den Alpen

Im Jahr 2025 wird das Projekt das Textilforum: Wollketten in den Alpen ausrichten, eine Veranstaltung, die sich mit dem Erhalt und der Aufwertung der handwerklichen Weberei in der Schweiz und in den Alpen beschäftigt. Auf dem Forum treffen sich Experten, Handwerker und Textildesigner, um über Nachhaltigkeit, Innovation und Traditionen zu diskutieren und Erfahrungen mit einheimischen Wolllieferketten auszutauschen. Das Forum wird auch eine Gelegenheit sein, das 70-jährige Bestehen der Handweberei im Valposchiavo zu feiern.

 

 

Wollroute: vom Schaf zum Stoff

Die Wollroute (Percorso Lana) ist eine Bildungs- und Erlebnisaktivität, die es den Besuchern ermöglicht, den gesamten Zyklus der Wollproduktion von der Ernte bis zur Endverarbeitung zu entdecken. Auf einer Reise mit Züchtern, Schafscherern und Weberinnen können die Teilnehmer jeden Schritt des Prozesses verstehen, von lokalen Rassen bis hin zu traditionellen Webtechniken. Dieser interaktive Pfad wird ein fester Bestandteil des Bildungsangebots der Museen des Valposchiavo sein und zur Weitergabe von traditionellem Wissen beitragen.

 

 

Flachs und Leinen Route: vom Feld zum Stoff

Die Flachs und Leinen Route (Percorso Lino) ist ein neues Projekt zur Wiederbelebung und Aufwertung der Flachsverarbeitung im Valposchiavo. Im Mittelpunkt dieser Aktivität steht die Wiederentdeckung traditioneller Flachsanbau- und -verarbeitungstechniken, die aufgrund von Standortverlagerungen fast in Vergessenheit geraten sind. Die Route bietet den Besuchern einen vollständigen Einblick in den Prozess der Umwandlung von Flachs in Stoff, um die Nachhaltigkeit und die Rückkehr zu lokalen landwirtschaftlichen Praktiken zu fördern.